Immer neue künstlerische Ideen: Gewandhausorganist Schönheit seit 30 Jahren im Dienst

23. April 2016 - 09:15 Uhr

Leipzig – RES SEVERA VERUM GAUDIUM – Wahre Freude ist eine ernste Sache. Der Leitspruch des Leipziger Gewandhauses, der in großen Buchstaben auf der Orgel prangt, könnte auch das Motto ihres Organisten sein. "Es macht mir überhaupt nichts aus, sehr viel zu üben. Das können auch mal zwölf Stunden hintereinander sein", sagt Michael Schönheit. Der 54-Jährige ist als einziger festangestellter Konzerthausorganist eine Besonderheit in Deutschland. Am (heutigen) Samstag feiert er sein 30-jähriges Dienstjubiläum.

Gewandhausorganist Michael Schönheit

Gewandhausorganist Michael Schönheit

Er gehe noch immer mit dem gleichen Respekt an seine Aufgabe wie 1986, als er als 24-Jähriger Hochschulabsolvent ans Gewandhaus kam. Sein Vorgänger Matthias Eisenberg war von einer Tournee in die Bundesrepublik nicht nach Leipzig zurückgekehrt. Der damalige Gewandhauskapellmeister Kurt Masur, der die Orgel als wichtige Säule des Hauses sah, sei dann auf ihn zugekommen, erinnert sich Schönheit. "Damals wie heute war mir die große Anforderung bewusst." Von Stolz will er nicht sprechen, eher von Ehrfurcht.

Dass er einmal Organist werden würde, sei nicht ausgemacht gewesen. Aufgewachsen im thüringischen Saalfeld, habe er von seinem Vater Walter Schönheit ("ein sehr guter Pianist und Organist") früh Unterricht erhalten. "Das fand täglich statt. Es war wie ein Studium an der Musikhochschule – nur ab sieben und zu Hause", sagt Schönheit. Von seinem Vater habe er einen sehr klugen Rat erhalten. "Er hat gesagt: 'Orgel kannst Du auch später spielen, wenn Du das unbedingt möchtest, aber achte auf dein Klavierspiel!'".

Schönheit studierte an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater Klavier und Dirigieren. Auf Anregung des damaligen Professors für Orgelspiel, Wolfgang Schetelich, nahm er zusätzlich noch ein Orgel-Studium auf. Die Vielfalt in seinem Schaffen sei ihm immer wichtig gewesen, sagt Schönheit. Das gilt bis heute: Neben seiner Arbeit im Gewandhaus habe er 1991 eine zweite "ganz große Liebe entdeckt": die Merseburger Domorgel. In der sachsen-anhaltinischen Stadt ist er ehrenamtlicher Domorganist und leitet als Dirigent das Ensemble der Merseburger Hofmusik.

Wie er das alles schafft? Schönheit überlegt kurz: Musik zu machen, sagt er dann, sei überhaupt nicht anstrengend, sondern im Gegenteil erholsam. "Da ist man ganz bei sich und kann aus der Welt, die einen umgibt, abtauchen." Anstrengend sei eher das Organisatorische. Schönheit plant 20 bis 30 Orgelkonzerte pro Saison in ganz unterschiedlichen Formaten – vom Familienkonzert mit Orgel bis hin zu Auftritten als Solist im Großen Concert des Gewandhauses.

Gewandhaus Leipzig, Großer Saal

Gewandhaus Leipzig, Großer Saal

Kein anderes Konzerthaus in Deutschland leistet sich einen festangestellten Organisten. Junge Musiker, die heute an dem Instrument ausgebildet werden, gingen sehr häufig in Richtung Kirchenmusik, sagt die Sprecherin der Leipziger Musikhochschule, Katrin Schmidinger. "Dass jemand das Glück hat, fest in einem Orchester unterzukommen, das ist wirklich die Ausnahme."

Schönheit ist als Organist zwar Mitglied des Gewandhauses, aber nicht des Orchesters im eigentlichen Sinne. Seine Aufgabe sieht er darin, sein Publikum für das Instrument Orgel zu begeistern. Dabei muss es auch in Leipzig nicht immer Bach sein. "Die Herausforderung ist es, Traditionelles nicht über Bord zu werfen und gleichzeitig Neues einzufügen", sagt Schönheit. Deswegen sei es ihm in 30 Jahren am Gewandhaus auch noch nicht langweilig geworden. "Jede Spielzeit, die ich gestaltet habe, hat mir immer neue künstlerische Ideen gebracht."

(Von Birgit Zimmermann, dpa/MH)

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