München – Es ist ein irrer Rausch, als den Barrie Kosky den "Feurigen Engel" von Sergej Prokojfew an der Bayerischen Staatsoper inszeniert: Engel, Teufel und der Wahnsinn der Liebe. Die Premiere am Sonntagabend ist vom Publikum in München gefeiert worden. Und der australische Regisseur genoss den Jubel sichtlich.
Allerdings braucht Koskys Interpretation der Oper über die an Wahnsinn grenzende Liebe einer Frau ziemlich viel Zeit, um zu diesem wahnwitzigen Opernabend zu werden. Mehr als eine Stunde lang lässt der Regisseur Evgeny Nikitin in der Rolle des Ruprecht und Svetlana Sozdateleva als Renata in einem Hotelzimmer, das dem Bayerischen Hof entsprungen sein könnte (Bühne: Rebecca Ringst), auf- und abwandern, schreien und wüten – bis in seiner Inszenierung endlich etwas mehr passiert. Über eine Stunde lang klagt Renata – die einfach unter Ruprechts Hotelbett auftaucht – ihm ihr Leid über ihre unerfüllte Liebe.
Doch dann zieht Kosky, der als Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper in Berlin vor allem für seine Operetten-Inszenierungen gefeiert wird, alle Register: Er lässt Männer in Kleidern mit zum stummen Schrei weit aufgerissenen Mündern über die Bühne tanzen, versammelt sie mit schwingenden Gliedern in Lederklamotten zur Orgie – und bringt in der Schlussszene einen Chor auf die Bühne, in der jede einzelne Nonne aussieht wie der mit Dornen gekrönte, blutüberströmte Gottessohn. Unterstützt wird das alles von spektakulären Lichteffekten (Licht: Joachim Klein). Ganz stimmig ist das nach dem unspektakulären Vorlauf zwar nicht, aber vergessen ist die gähnende Langeweile des Anfangs.
Trotz der düsteren Thematik hat auch Koskys "feuriger Engel" streckenweise etwas Operettenhaftes. Dem Münchner Publikum gefiel das so gut, dass es zum Schluss minutenlang applaudierte. Der Jubel galt Kosky und Vladimir Jurowski am Dirigentenpult, vor allem aber den Sängern: Nikitin, der vor einigen Jahren bei den Bayreuther Festspielen Schlagzeilen machte, weil er sein Engagement im "Fliegenden Holländer" wegen Diskussionen um eine angebliche Hakenkreuz-Tätowierung abgegeben hatte, wird für seine Stimmgewalt gefeiert – ebenso Kevin Conners als Mephistopheles und besonders Sozdateleva in der Hauptrolle der vor Liebe wahnsinnig gewordenen Renata.
(Von Britta Schultejans, dpa/MH)
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