Sensibler Künstler und Wagner-Spezialist: Dirigent Sir Jeffrey Tate gestorben

02. Juni 2017 - 20:21 Uhr

Hamburg – Schon in jungen Jahren hatte es Jeffrey Tate nicht leicht. "Ich wusste immer nur eines, ein normales Kind war ich nicht", sagte der Chefdirigent der Symphoniker Hamburg rückblickend in einem Interview. Eine angeborene Wirbelsäulenverformung machte ihm das Leben schwer und führte zu einer schiefen Haltung mit erheblichen Gehbeschwerden. Trotzdem schaffte es Tate – auch dank seiner Eltern, die ihn immer als normales Kind behandelten – Medizin zu studieren und zwei Jahre als Augenarzt in einem Londoner Krankenhaus zu arbeiten. Doch die Liebe zur Musik, die er schon als Kind verspürte, war stärker: Nach dem Start seiner künstlerischen Laufbahn am Royal Opera House Covent Garden in London machte Tate, der am Freitag im italienischen Bergamo an einem Herzinfarkt starb, als Dirigent eine großartige Karriere.

Jeffrey Tate

Jeffrey Tate

"Ich musste mein ganzes Leben lang kämpfen. Aber ich schaue nicht zurück mit Bitternis, weil ich die Musik so liebe", sagte Tate einmal. Die Behinderung habe ihm auch ein Gefühl von Abstand gegeben, um die Dinge besser beobachten zu können. Das Dirigieren habe sich positiv auf seine Gesundheit ausgewirkt. Selbst als er 2011 nach einer Lungenentzündung schwere Atemprobleme bekam und seitdem nachts auf ein Sauerstoffgerät angewiesen war, wollte er das Dirigieren nicht aufgeben.

Geprägt haben ihn Herbert von Karajan in Salzburg und James Levine an der Metropolitan Opera in New York, bei denen er als Assistent arbeitete. Doch zur entscheidenden Erfahrung wurde für ihn 1976 der sogenannte Jahrhundert-Ring der Bayreuther Festspiele, bei dem er als Assistent von Pierre Boulez mitwirkte. So wurde er zu einem der bedeutendsten Interpreten der Musik Richard Wagners. Er hat den ersten vollständigen Pariser "Ring" der Nachkriegszeit, den ersten australischen "Ring" überhaupt und viele weitere Aufführungen der Tetralogie unter anderem auch in Köln, Venedig und Wien dirigiert.

Mit den Hamburger Symphonikern verband Tate von Anfang an eine besondere Beziehung. "Ich versuche eher, warmherzig zu den Musikern zu sein", sagte der stets bescheiden und charmant auftretende Dirigent. Kritiker bewunderten, wie er das Orchester mit wenig gestischem Aufwand effizient führte und bezeichneten Tate als "einen Präzisionsliebhaber, einen Farmer und Genießer des Details, fähig zum Filigranen, und, wenn nötig, auch zum großen Effekt".

Erst am 19. April war Tate im Buckingham Palace von Prinz William zum Ritter geschlagen worden – als Anerkennung für seine internationalen Verdienste um die britische Musik. "Ich habe die Ritterwürde nicht erwartet und vielleicht wird sie mein Leben nicht komplett verändern – und trotzdem fühle ich mich ein klein bisschen anders", hatte er nach der Zeremonie gesagt.

(Von Carola Große-Wilde, dpa/MH)

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