München (MH) – Mit einem umjubelten Konzert haben die Münchner Philharmoniker und ihr Chefdirigent Valery Gergiev am Freitag die Isarphilharmonie als Ausweichquartier des Münchner Gasteig eröffnet. Programmatisch spannte sich der Bogen von der Uraufführung des Auftragswerks "Arising Dances" von Thierry Escaichs über Maurice Ravels "Daphnis et Chloé"-Suite bis zu Beethovens Klavierkonzert Nr. 4. Dazwischen erklangen Henri Dutilleux "Métaboles" und ein Satz aus Rodion Schtschedrins "The Sealed Angel" für Chor und Flöte.
Und wie klingt er nun, der neue Saal, nach der Adresse in der Hans-Preißinger-Straße griffig HP8 genannt? Transparent, klar bis kristallin, an fast allen Plätzen ausgewogen – und damit leistet er so sehr viel mehr als der Konzertsaal im Gasteig. Die Musiker hören sich – auch das ein Riesenfortschritt im Vergleich zum alten Saal.
Und so brillierten die Philharmoniker zur Eröffnung mit viel Exaktheit, Temperament und Spielfreude. Um die Akustik vorzuführen, hat Gergiev das Programm klug gewählt, von Schlagwerk bis Harfenklang, von klanglicher Opulenz bis zu feinen Soli führt er die Möglichkeiten vor, ein wenig klang das fast schon nach Leistungsparade. Daniil Trifonov startete seinen Zyklus der Beethoven-Konzerte mit bekanntem Verve und technischem Topvermögen, wobei es Innigkeit und die Atmosphäre leiser Töne in diesem Raum sehr schwer haben dürften.
HP 8 ist auch: hell, kalt – es gibt nur wenige Heizkörper – und eng. Maskenlos durften sich am Eröffnungsabend rund 1.800 Menschen im Foyer und den engen Durch- und Aufgängen drängeln. In eineinhalb Jahren Bauzeit wurde der Stadtwerkebau umgerüstet, alles außer dem in Anthrazit gehaltenen Saal atmet den Charme einer Mischung aus estrichlastiger und Industriehalle. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wusste in der kurzen Ansprache den Namen des Hauses nicht so richtig und unkte bereits, dass das Provisorium lange Bestand haben könnte – eine kleine Spitze gegen das von der Staatsregierung geplante neue Konzerthausprojekt.
Fazit: Als Zwischenlösung ist der Saal unbedingt ein Gewinn für München und weit darüber hinaus, aber nein, bitte HP8 nicht als Dauerlösung. Dazu sind die Sitze zu unbequem, die Treppenstufen zu schmal, die Räume zu klein – und eine Gesamtatmosphäre? Nach dem ersten Reiz der ungewohnten Optik eher Fehlanzeige.
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(mk/wa)
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