Joseph Haydn – Das verkannte Genie

05. Juli 2012 - 08:08 Uhr

Sonntag, 08. Juli 2012 / 15:00 – 15:55 Uhr
ARTE

Dokumentation (Deutschland/Österreich 2009) Die Werke Joseph Haydns erklingen oft in den Konzertsälen, dennoch steht der Komponist heute im Schatten von Mozart, Beethoven und Co. Seine Musik war der Klang einer Epoche, seine Botschaft war die Aufklärung: Haydn galt als überragender künstlerischer Schöpfer seiner Zeit und erhielt regelmäßig Standing Ovations. Regisseurin Nele Münchmeyer zeichnet ein Porträt, das Haydns Genie wiederentdeckt.

Joseph Haydn

Ihr Film besucht Originalschauplätze, Musiker und Menschen, die dem Geheimnis um Joseph Haydn auf den Grund gehen, und folgt den Spuren, die der Komponist hinterlassen hat. Das Ergebnis ist ein musikalisches "Roadmovie", das von Wien über das Burgenland nach England und wieder zurückführt und ein facettenreiches Bild des späten Darlings der Londoner Society entwickelt – ein Bild, das weit über die Bedeutung Haydns für die Musik hinausreicht.

Als Komponist ist Joseph Haydn vor allem bekannt für seine bald hundert Symphonien und für seine Oratorien "Die Jahreszeiten" und "Die Schöpfung", deren Klangsinn das spätere 19. Jahrhundert vorwegzunehmen scheint. Seine Streichquartette haben Vorbildcharakter für ganze Komponistengenerationen; die Klaviermusik übertrifft in puncto Harmonik den Wagemut des Zeitgenossen Mozart. Dennoch steht Haydn heute im Schatten des früh gestorbenen Wunderknaben wie auch vieler anderer Komponisten von Bach bis zur Romantik. Seine Zeitgenossen hielten ihn indes für den Größten unter der Sonne und versuchten gar nach seinem Tod, über das Studium seines Schädels dem Geheimnis genialischer Größe auf die Schliche zu kommen.

Beginnend in Wien folgt der Film dem Weg des Musikers, der ihn bald ins Burgenland führen sollte, an den Hof des Fürsten Esterházy, dessen Angestellter Haydn wurde. Dort verbrachte er den Großteil seines nach außen hin eher unscheinbaren Lebens: keine Skandale, eine Ehe mit der Schwester der Frau, die er eigentlich liebte, dem Fürsten zu Diensten, ohne finanzielle Not. Haydns Pragmatismus taugt nicht für Mythen; sein Leben scheint frei von Leiden und Leidenschaft und somit genaues Gegenteil einer Heldengeschichte. Nur: Warum sahen seine Zeitgenossen das so anders? Wann kam der Bruch in der Wahrnehmung und warum? Soviel sei gesagt: Mit der Musik selbst hat das womöglich weniger zu tun, als wir annehmen möchten, sondern eher mit den Sehnsüchten, die der Zuhörer mit der Musik und ihrem Schöpfer verbindet.

Ob der Sänger Thomas Quasthoff, der Dirigent Sir Roger Norrington, die Pianistin Ragna Schirmer oder Forscher, Wissenschaftler und Gelehrte: Sie alle erzählen von einem Haydn, dessen Größe gerade in der Abwesenheit des selbstzerstörerischen Taumels liegt, den wir – in romantischer Verklärung – an Künstlern oft so schätzen. Am Ende erscheint Haydns Musik als Melodie eines Lebens, das auf vorbildhafte Weise Persönlichkeit und gesellschaftliche Möglichkeiten zusammengeführt hat.

(pt/wa)

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