Dirigent Pietari Inkinen: "Neue Generation wird den Konzertsaal wieder genießen"

15. Mai 2015 - 14:28 Uhr

Ludwigsburg – Bei den Schlossfestspielen Ludwigsburg brechen am (heutigen) Freitag finnische Zeiten an: In seiner ersten Saison als Chefdirigent wird Pietari Inkinen das Programm mit drei Orchesterkonzerten bestimmen. Der junge Finne will bei dem traditionsreichen Festival einiges bewegen. Sein Vertrag läuft bis einschließlich 2017. "In zehn Jahren kann man natürlich noch mehr ändern", sagt der 35-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Pietari Inkinen

Pietari Inkinen

Frage: Welchen Stempel wollen Sie den Schlossfestspielen aufdrücken?

Antwort: Für mich ist es am wichtigsten, dass wir unseren Stil finden. Dass wir lernen, wie wir miteinander musizieren wollen. Ich hoffe, dass meine Klangidee immer klarer wird.

Frage: Reichen da drei Jahre?

Antwort: In zehn Jahren kann man natürlich noch mehr ändern. Aber wir arbeiten relativ intensiv in diesen Wochen. Ich bin mir sicher: Man kann auch innerhalb von drei Jahren eine Identität schaffen.

Frage: Wie ist Ihr Gefühl?

Antwort: Das Gefühl war von Anfang an sehr gut. Einen ersten Kontakt gab es schon vor vielen Jahren. Thomas Wördehoff (Intendant) hat meine Konzerte besucht. Ich kannte die Festspiele vom Namen her, aber ich wusste nicht, wie viel hier passiert. Dann habe ich erstmals hier dirigiert und von da an gehofft, dass ich immer wieder hierher kommen kann.

Frage: Wie ist ihr Eindruck vom Orchester?

Antwort: Ich bin begeistert von diesem Enthusiasmus und der Qualität des Orchesters.

Frage: Was ist das Besondere an den Schlossfestspielen?

Antwort: Hier gibt es etwas für jeden. Es hat mich von Anfang an beeindruckt, dass man hier immer etwas Besonderes sucht. Etwas, das man nicht jede Woche hört. Es kommen auch viele berühmte Gäste. Unser Programm ist voller interessanter Veranstaltungen.

Frage: Welche Ideen haben sie für die Festspiele?

Antwort: Wir haben schon die Idee, auf Tour zu gehen und mal wieder Gastspiele zu machen – eventuell schon nächste Spielzeit. Wir haben konkrete Pläne, über die ich aber noch nicht reden sollte.

Frage: Gibt es genug Nachwuchs für das Orchester?

Antwort: Wir haben in der Region einen guten Pool an Spitzenmusikern. Wenn wir jemanden brauchen, bekommen wir immer gute Leute. Unsere Stimmführer haben auch gute Kontakte. Da habe ich volles Vertrauen. Ein Vorspielen brauchen wir daher nicht. Jedoch wäre die Gründung einer Akademie auch eine Idee – das könnte gut funktionieren.

Orchester der Schlossfestspiele

Orchester der Schlossfestspiele

Frage: Warum bringt das kleine Finnland so viele Musiker hervor?

Antwort: Ich kenne mich nicht so gut im deutschen Schulsystem aus, dass ich das vergleichen könnte. Aber das Finnische ist schon ganz besonders.

Frage: Wie funktioniert es?

Antwort: Ab der dritten Klasse war ich in einer musikorientieren Klasse. Zum normalen Unterricht kam eine Stunde Musik pro Tag. In meiner Schule waren 20 Prozent der Schüler in der Musikklasse. Wir haben alle im Chor gesungen und Instrumente gespielt. Unser Lehrer hat uns zu vielen kulturellen Programmen mitgenommen. Das war sehr wichtig. Denn: Wenn man versteht, genießt man noch mehr.

Frage: Wie ging es danach weiter?

Antwort: Wir haben überall kostenlose Musikschulen. Das geht auf eine politische Entscheidung zurück. Mit zehn Jahren habe ich die Aufnahmeprüfung für die Sibelius-Akademie in Helsinki bestanden und bin dann immer 140 Kilometer dorthin gependelt. Das war schon sehr intensiv.

Frage: Wie erklärt sich die große Musiktradition von Finnland?

Antwort: Die Tradition geht weit zurück. Das könnte auch etwas mit dem schwierigen Verhältnis zu Russland zu tun haben. Unsere Identität ist eng mit Musik verbunden. Ich denke, das ist ein Grund, warum uns das so wichtig ist.

Frage: Wie würde Ihr Plädoyer für klassische Musik klingen?

Antwort: Wir müssen gegen diese Flut von Entertainment kämpfen, diese Musikvideos von 20 Sekunden. Informationen bombardieren uns überall. Da ist es wichtig, auch mal zu stoppen – und die Ruhe zu genießen in einem Konzertsaal. Ohne Störung. Die neue Generation wird das wieder neu genießen, diese Möglichkeiten unserer Kultur.

Frage: Und Ihr Plädoyer für das Erlernen eines Instruments?

Antwort: Jeder – ob begabt oder nicht – sollte früh ein Instrument zum Spielen haben. Schon, um zu lernen, sich zu konzentrieren. Eine Geige fünf Minuten am Tag zu halten, und zu versuchen, keinen schrecklichen Ton zu produzieren – das hilft: Dann läuft alles in der Schule so viel einfacher.

(Die Fragen stellte Roland Böhm, dpa)

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