Baden-Baden – Claudio Monteverdi (1567-1643) gilt als Miterfinder und erster Vollender einer neuen bis dahin unerhörten Kunstgattung. Sein 1607 uraufgeführter "Orfeo" ist zum Vorbild aller späteren Opern geworden. Die in Karlsruhe geborene Choreographin und Regisseurin Sasha Waltz beschäftigt sich schon seit einiger Zeit mit neuen Konzepten für ein innovatives Musiktheater. Die deutsche Erstaufführung ihrer Vision von "Orfeo" war am Freitagabend im Festspielhaus Baden-Baden zu sehen. Das begeisterte Publikum erlebte eine Kreation, die einer Neuentdeckung eines Werkes gleichkommt, das immerhin mehr als 400 Jahre auf dem Buckel hat.
Ihr Konzept fasst Waltz mit wenigen Worten zusammen: "Wenn auf der Bühne gleichzeitig gesungen und getanzt wird, das ist einfach unglaublich stark. Wenn beides, Tanz und Gesang, zusammenkommt, hat das für mich etwas Vollkommenes." Im Baden-Badener "Orfeo" tanzen die Sänger, singen die Tänzer; und am Schluss tanzen sogar die Instrumentalisten die "Moresca", einen übermütigen Reigen. Bei Sasha Waltz werden Sängerinnen, Sänger und der Chor zu ebenso professionellen wie natürlichen Tänzern.
Auch das Bühnenbild "tanzt" mit. Geschaffen hat es Alexander Schwarz, Mitglied des Büros David Chipperfield Architects in Berlin, das zahlreiche spektakuläre Museumsneubauten entworfen hat. Riesige, bewegliche, säulengleiche Holzplanken markieren das Tor zur Unterwelt. Dahinter erstrecken sich ein Wald und die Wasser des Hades. Unterstrichen wird das durch die schlichten aber fantasievollen Kostüme von Beate Borrmann und die Lichtregie von Martin Hauk.
Monteverdi griff auf den urtümlich-zeitlosen Mythos vom göttlichen Sänger Orpheus zurück, der mit seinem Gesang sogar die Götter der Unterwelt bezirzt, um seine geliebte Eurydike wieder ans Licht zu holen. Das geht natürlich schief, weil er sich entgegen der Auflage Plutos zu früh nach der Angebeteten umdreht. Am Schluss hat aber Orpheus' Vater Apollo ein Einsehen und entrückt den Sänger in den Himmel, wo er seine Eurydike als Sternbild sehen darf. Waltz inszeniert das konsequent als "Schäferspiel", als Liebesreigen.
Dank des Engagements des Freiburger BarockConsort und des Vocalconsort Berlin unter Pablo Heras-Casado erfährt auch Monteverdis Musik eine überzeugende Gestaltung. Die Freiburger Musiker sind durch die Bank virtuose Könner, bestens vertraut mit altertümlichen Instrumenten wie Lirone (Streichinstrument), Zink (Grifflochtrompete), Regal (tragbare Kleinorgel) und Chitarrone (Lauteninstrument). Monteverdis teils übermütige, teils melancholische Musik atmet und fließt. Das Solistenensemble singt und tanzt auf höchstem Niveau; hervorzuheben: Georg Nigl als bewegender Orfeo und Anna Lucia Richter als anrührende Euridice.
Die Oper "Orfeo" wird im Festspielhaus Baden-Baden noch einmal am Sonntag um 18:00 Uhr aufgeführt.
(Von Martin Roeber, dpa/MH)
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