Bayreuth – Durchsetzungsfähige Frauen im Wagner-Clan gab es schon immer. Dass Katharina Wagner in wenigen Wochen die alleinige Festivalleitung übernimmt, passt also gut in die Geschichte dieser außergewöhnlichen Familie. Nie war die 37-Jährige in der Wagner-Welt mächtiger. Denn ihre Halbschwester Eva Wagner-Pasquier (70), mit der sie 2008 die Nachfolge ihres Vaters Wolfgang Wagner angetreten hatte, scheidet aus. Dass Katharina Wagners Inszenierung von "Tristan und Isolde" zum Festspielauftakt am vergangenen Samstag bejubelt wurde, dürfte großen Druck von ihr genommen haben.
Denn nach ihrem betont rebellischen, vielfach kritisierten Debüt mit den "Meistersingern" vor acht Jahren hat sie jetzt bewiesen, dass sie eine ernstzunehmende Regisseurin sein kann, die die viereinhalbstündige Liebesoper von Urgroßvater Richard Wagner (1813-1883) auf beeindruckende Weise in den Griff bekommt.
Nur: Zu sehen bekommt die Öffentlichkeit die starke Frau vom Grünen Hügel derzeit nur äußerst selten. Aktuelle Fotos kursieren nicht. Einen Termin mit Medienvertretern einen Tag vor Festspielstart überließ sie ihrem kaufmännischen Direktor, der berichtete, dass bis zur letzten Sekunde an "Tristan und Isolde" gefeilt werden musste. Was als Entschuldigung für die Chefin diente.
Nach dem Festspielauftakt trat sie nur kurz auf die Bühne. Viele haben sie in der Kürze der Zeit womöglich gar nicht erkannt. Das gesamte Regie-Team hatte sich – ganz in schwarz – auf die Bühne gemogelt. Allein wollte Katharina Wagner sich wohl nicht dem Publikumsvotum stellen. Nur ihre blonde Mähne, die bei der Verbeugung wirbelte, verriet sie. Ein Blick auf ihr Gesicht, ein Hinweis darauf, ob sie erleichtert war, ob sie sich freute, war kaum zu erhaschen.
Beim Staatsempfang im Neuen Schloss fehlte dann nicht nur Wagner, sondern auch das komplette Team der Produktion – Nacharbeiten seien fällig, hieß es. Eva Wagner-Pasquier erschien dafür in leuchtend rotem Mantel und sehr aufgeräumter Stimmung. Auch als tags darauf das modernisierte und erweiterte Richard-Wagner-Museum eröffnet wurde, kamen nur Wagner-Pasquier und Dirigent Christian Thielemann. Katharina Wagner entging dadurch eine spitzzüngige, provokante Rede ihrer Cousine Nike Wagner, die einst im Rennen um die Festspielleitung gegen Katharina und Eva den Kürzeren gezogen hatte.
Der Druck sei riesig, hatte Katharina Wagner vor dem Festspielstart gesagt. Und sich zugleich gewundert. Schließlich werde das Festspielhaus auch nach der diesjährigen Eröffnung noch stehen. Aber sie wusste freilich: Wäre der "Tristan" gescheitert, hätten viele Kritiker ihre Eignung als alleinige Chefin laut infrage gestellt.
Nun aber sitzt sie fest im Sattel. So wohlwollend über die Kunst ist in Bayreuth schon lange nicht mehr gesprochen worden. Selbst die kurzfristige Umbesetzung der Titelpartie – Anja Kampe zog Ende Juni zurück, Evelyn Herlitzius sprang ein – bekam Katharina Wagner in den Griff, auch wenn Herlitzius und Tristan-Darsteller Stephen Gould darstellerisch vielleicht etwas besser harmonierten als stimmlich.
An der Seite der Chefin: der neue Musikdirektor Christian Thielemann. Sie sind das Gespann, das in den kommenden Jahren das weltbekannte Festival prägen wird. Thielemanns in diesem Jahr geschlossener Kontrakt als Musikdirektor ist bis 2020 datiert. Wobei Katharina Wagner im Interview der "Süddeutschen Zeitung" klarstellte: "Er wird damit aber nicht Teil der Festspielleitung und schließt auch keine Verträge ab." Die Macht liegt in ihren Händen.
(Von Kathrin Zeilmann und Britta Schultejans, dpa)
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