Barenboim erfreut über Publikumszuspruch – Plädoyer für moderne Musik – Musikfest Berlin beginnt

03. September 2015 - 09:41 Uhr

Berlin – Der argentinisch-israelische Dirigent und Pianist Daniel Barenboim (72) freut sich über das "wunderbare Geschenk", dass seine Konzerte noch immer besucht werden. "Man könnte denken, dass nach 65 Jahren das Publikum sagt: 'Es reicht, warum sollen wir noch einmal kommen, das habe ich schon gehört, lass uns etwas Neues hören.' Es bewegt mich sehr, dass das nicht der Fall ist", sagte der Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper der Deutschen Presse-Agentur.

Daniel Barenboim

Daniel Barenboim

Bei der modernen Musik bittet Barenboim seine Zuhörer aber um etwas mehr Geduld. "Ich bin jetzt 65 Jahre auf der Bühne, und wenn ich eine Bitte äußern darf: Dass das Publikum ein bisschen mehr Geduld hat und beim ersten Hören nicht gleich aufgibt und wiederkommt – und ich werde spielen", sagte er. Barenboim führt immer wieder moderne Musik auf, zuletzt unter anderem von Jörg Widmann, seinem Freund Pierre Boulez und Elliott Carter (1908-2012).

Am (heutigen) Donnerstag eröffnen Barenboim und seine Staatskapelle Berlin in der Philharmonie das Musikfest Berlin mit Kompositionen von Arnold Schönberg (1874-1951). Dabei kommen bis zum 20. September Orchester aus Europa, Israel und den USA zusammen, darunter neben den Berliner Orchestern auch das Boston Symphony Orchestra unter ihrem Chefdirigenten Andris Nelsons sowie die San Francisco Symphony mit Michael Tilson Thomas. Das Festival ist den Komponisten Carl Nielsen (1865-1931), Schönberg und Gustav Mahler (1860-1911) gewidmet.

Schönberg sei der "Vater" der Musik des 20. Jahrhunderts, sagte Barenboim. Mit seiner Zwölfton-Kompositionstechnik habe er die Musik von Grund auf erneuert. "Damit haben wir vieles gewonnen, aber eines verloren: Die Tonalität, mit der Spannung und Entspannung aufgebaut werden." Um das zu hören, brauche man kein Experte zu sein. Das heutige Publikum habe allerdings weniger musikalische Bildung als vor 100 Jahren – und weniger Geduld. "Alles muss schnell, schnell gehen."

Der Wiener Komponist habe geahnt, dass er zu Lebzeiten nicht populär sein werde, sagte Barenboim. Schönberg sei sich aber sicher gewesen, dass in 50 Jahren seine Melodien auf der Straße gepfiffen würden – wie die Strauss-Walzer. Dabei zitierte Barenboim den Autor Milan Kundera (86). Der tschechisch-französische Schriftsteller habe geschrieben, Schönberg habe sich bei seiner Prognose nicht selber überschätzt. Vielmehr habe der Komponist die Zukunft überschätzt.

(dpa/MH)

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