Supergau mit Happy End: Braunfels' Jeanne d’Arc in Köln

15. Februar 2016 - 09:57 Uhr

Köln (MH) – Das Drama ereignete sich am Ende der Generalprobe: die als Hauptdarstellerin vorgesehene Natalie Karl verletzte sich so schwer, dass sie für die komplette Produktion ausfällt. Ein Supergau für jede Premiere. Über Nacht galt es für Opernintendantin Birgit Meyer eine praktikable Lösung zu finden, und die sieht in Köln gleichermaßen branchenüblich wie unkonventionell aus: für den musikalischen Part ließ man Juliane Banse einfliegen, den szenischen Part übernahm für die Premiere am Sonntag Regisseurin Tatjana Gürbaca höchstselbst.

Jeanne d'Arc

Jeanne d’Arc

Bei Walter Braunfels' Oper "Jeanne d’Arc – Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna" funktioniert das erstaunlich gut. Gürbaca weiß naturgemäß nicht nur, wie sich ihre Hauptfigur auf der zerklüfteten, als Müllhalde eingerichteten Bühne (Stefan Heyne) im Kölner Staatenhaus zu bewegen hat, sie verleiht deren innerer Zerrissenheit auch zunehmend glaubwürdigeren Raum und findet sich immer überzeugender in ihrer unfreiwilligen Rolle zurecht. Und über Banse braucht eigentlich nichts mehr gesagt zu werden: die Sängerin, die die Partie zuletzt 2013 in Salzburg übernommen hatte, singt überragend.

Sie reiht sich damit nahtlos in die ausgezeichneten musikalischen Leistungen des Kölner Ensembles ein, allen voran der überaus druckvoll spielende wie singende Chor, der hier fulminant zur Geltung kommt, wie auch die ausgezeichneten Mädchen und Knaben des Kölner Domchores. Die weiteren Partien stehen dem in nichts nach. Herausragend sind Matthias Klink als König und Luke Stoker als Erzbischof, jedoch sind durchweg alle Partien bis in die Nebenrollen hinein erstklassig besetzt. Das Gürzenich-Orchester spielt unter der umsichtigen Leitung von Lothar Zagrosek Braunfels' bekenntnishafte Partitur mit nachhaltigem Ausdruck und kommt selbst mit den widrigen Bedingungen des derzeitigen Ausweichquartiers der Kölner Oper überraschend gut zurecht: null Akustik, kein Orchestergraben und eine Bühne, die das Orchester regelrecht in zwei Teile zerschneidet.

Das hinterlässt musikalisch zwar Spuren, die angesichts der nachteiligen Umstände aber verschmerzbar sind. Gürbacas Inszenierung entwickelt trotz der eingeschränkten szenischen Möglichkeiten im Staatenhaus ein schlüssiges Konzept, das sowohl mit einem dramaturgisch gelungenen Timing als auch mit einer stimmigen Personenführung aufwarten kann. So gibt es am Ende doch noch ein Happy End für eine unter dramatischen Umständen aus der Taufe gehobene Premiere.

(Von Guido Krawinkel)

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Braunfels' Oper "Jeanne d’Arc" erstmals in Köln
(14.02.2016 – 10:20 Uhr)

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