Berlin – Die Berliner Staatsoper wird seit Jahren saniert. Die Wiedereröffnung wurde nicht nur mehrmals verschoben (aktueller Plan: Oktober 2017), die Baustelle ist auch deutlich teurer geworden. Von 239 Millionen Euro steigen die Ausgaben auf geschätzt rund 400 Millionen Euro. Auf den Mehrkosten bleibt das Land Berlin sitzen – denn der Bund hat zwar 200 Millionen Euro zugesagt, die Hilfen sind aber gedeckelt. Mehr Geld gibt es also nicht.
Warum die Sanierung so kompliziert wurde, soll seit etwa einem Jahr ein Untersuchungsausschuss klären. Die Parlamentarier befragten etwa 30 Zeugen, darunter den Regierenden Bürgermeister Michael Müller und Ex-Regierungschef Klaus Wowereit (beide SPD). Am (heutigen) Freitag sollen die letzten Zeugen gehört werden. Ein Abschlussbericht könnte nach bisherigem Zeitplan am 9. Juni im Plenum vorgestellt werden. Der Vorgang füllt inzwischen rund 600 Akten, wie der Ausschussvorsitzende Wolfgang Brauer (Linke) der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Aus seiner Sicht wurde schon früh ein Kardinalfehler begangen: Der Bau sei begonnen worden, ohne dass eine einigermaßen abgeschlossene und geprüfte Bauplanung vorgelegen habe. "Das fand ich dann nun doch schon bemerkenswert", sagte Brauer. "Ich meine, so baut ein Privatmensch eine Laube." Der nehme Bretter, zimmere sie zusammen, und wenn ein Satz Schrauben fehle, gehe er eben zum Baumarkt. Das könne man aber nicht bei einem Großprojekt machen.
Gleichzeitig bauen und planen also? Eine Folge sei auch gewesen, dass bestimmte Untersuchungen erst nach Beginn der Arbeiten gemacht worden seien, sagte Brauer. "Das heißt, die Bauleute wussten häufig gar nicht, was sie erwartet." Und im Berliner Grund, das ist nicht neu, erwartet einen so manch unangenehme Überraschung. Viel Beton musste vergossen werden, um den Bau gegen Grundwasser abzudichten.
Über allem schien dabei ein großer Zeitdruck zu hängen. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher berichtete in ihrer Befragung, ihnen sei gesagt worden, der Umzug ins Schiller Theater führe zu einem Niedergang der Staatsoper. Dort gastiert das Ensemble während der Bauarbeiten. Sie glaube, diese Angst habe enorm zum Zeitdruck beigetragen, sagte Lüscher. Die Kulturverwaltung habe um "kreative Lösungen" gebeten, um Zeitverluste aufzuholen.
"Kreative Lösungen", das ist fast ein geflügeltes Wort geworden. Etwa für das Verfahren, parallel zu bauen und zu planen. Der Zeitplan geriet aber auch schon vor Baubeginn unter Druck. 2008 gewann Architekt Klaus Roth einen Wettbewerb. Er wollte den Saal modern umbauen, um Sicht und Akustik zu verbessern. Manche befürworteten den Plan, andere stellten sich dagegen. Allen voran die Freunde der Staatsoper, die damit drohten, doch nicht wie angekündigt 30 Millionen Euro an Spenden sammeln zu wollen.
Die Berliner Piratenfraktion hat die Rolle des Fördervereins gerade separat ausgiebiger untersucht – und kommt zu dem Schluss, der Verein habe politisch Druck gemacht, obwohl er am Ende nur einen Bruchteil der Spenden zusammen bekommen habe. Der Wettbewerb wurde gekippt, alles begann von vorne. Jetzt behält der Saal seinen alten Stil – zur Verbesserung der Akustik wird die Decke um mehrere Meter angehoben.
Das war ein Wunsch von Dirigent Daniel Barenboim, damit die Musik länger nachklingt. "Ich habe mich ausschließlich um die musikalischen Belange gekümmert", erklärte er bei seiner Befragung im U-Ausschuss. Richtig verantwortlich sehen sich viele nicht.
Wowereit etwa, der selbst auch Kultursenator war, wies jede Schuld von sich. Alle Planungen und Umplanungen seien von der fachlichen Ebene vorbereitet worden, er habe "nie einsame Entscheidungen getroffen", sagte der 62-Jährige vor dem Untersuchungsausschuss. Der aktuelle Regierungschef Müller übernahm das Projekt in seiner Zeit als Bausenator. Er bewertete es im Rückblick kritisch, dass gleichzeitig gebaut und geplant wurde. Und er räumte ein, es habe Schwierigkeiten bei der Abstimmung mit der Kulturverwaltung gegeben.
Fachliche Ebene, politische Ebene, Schwierigkeiten. Sie hätten in der ganzen Gemengelage feststellen müssen, dass es keine transparenten Weisungsstrukturen gegeben habe, sagte Brauer von den Linken. Für ein unterirdisches Bauwerk etwa, das sich als besonders kompliziert erwies, sei ihnen keine festgehaltene, politische Anweisung untergekommen, dass das so gebaut werden sollte, wie es nun gebaut wird. "Es wollte sich auch niemand wirklich festnageln lassen, was diesen überaus ambitionierten Zeitplan angeht."
Die Abgeordneten im Ausschuss wollen nun zusammentragen, was sie in den vergangenen Monaten erfahren haben. Der Abschlussbericht, das sagt Brauer, soll dann vor allem auch eines enthalten: Empfehlungen, wie man es künftig besser machen kann.
(Von Julia Kilian, dpa/MH)
Mehr zu diesem Thema:
➜ Untersuchungsausschuss Berliner Staatsoper befragt letzte Zeugen
(15.04.2016 – 08:00 Uhr)
➜ Die Sanierung der Berliner Staatsoper – Eine Chronologie
(15.04.2016 – 08:30 Uhr)
Link:
➜ https://www.parlament-berlin.de
© MUSIK HEUTE. Alle Rechte vorbehalten – Informationen zum Copyright