Hannover (MH) – Da stand er ganz allein mit seiner Pipe Drum und füllte mühelos Deutschlands größten Konzertsaal – nicht nur mit Klängen, sondern vor allem mit seiner ausdrucksstarken Bühnenpräsenz. Der aus Österreich stammende Multipercussionist Martin Grubinger riss am Freitagabend das Publikum des Hannoveraner Kuppelsaals buchstäblich vom Hocker.
Auf seiner Klangreise von Afrika über das Berlin der zwanziger Jahre und Japan eröffnete die sechsköpfige Combo "Grubinger & Friends" dem Publikum nicht nur eine völlig neue Klangwelt, sondern offenbarte auch eine in westlichen Kulturkreisen unkonventionelle Art des Musizierens.
Dynamisch, fast ekstatisch, mit sichtlich viel Spaß und vollem Körpereinsatz stellten sich die Percussionisten der körperlichen Herausforderung ohne jemals an Virtuosität einzubüßen – "Mal sehen, was die Muskulatur noch so hergibt", scherzte der energiegeladene Grubinger vor der letzten Zugabe. Durch kontinuierlich-subtile Kommunikation verschmolz das Ensemble zu einem kraftvollen Komplex aus brillanten Hochleistungsmusikern.
Konträr präsentierte das Pittsburgh Symphony Orchestra unter dem Dirigat des Österreichers Manfred Honeck Tschaikowskys 4. Symphonie. Im Gegensatz zu Grubinger verprasste das Instrumentalsensemble durch allzu starke dynamische Kontraste seine Entfaltungsmöglichkeiten bereits zu Beginn des Konzertabends, trieb die Zuhörer von Höhepunkt zu Höhepunkt.
Obwohl das Finale des ersten Satzes für einen kurzen Gänsehautmoment sorgte, konnten die Pittsburgher an diese selbst auferlegte Intensität nicht mehr anknüpfen. Damit war Honeck einer der Versuchungen, vor denen er im Vorfeld selbst gewarnt hatte, verfallen: Der "Versuchung der Maßlosigkeit" – der mangelnden Kontrolle der Dynamik – konnte der Dirigent offenbar keinen Widerstand leisten.
Eine gefühlvoll-zerbrechliche Atmosphäre hingegen evozierte das Orchester immer dann, wenn die Streicher in den Hinter- und die Bläser in den Vordergrund rückten: Erst der zögerliche Applaus vermochte diesen intimen Moment des Innehaltens zu unterbrechen. Der weite Weg habe sich gelohnt, befand das Publikum, das die Performance mit "Bravo"-Rufen und Fußgetrappel bedachte.
Dass Honeck und Grubinger mehr als die Nationalität verbindet – die beiden kennen sich seit 25 Jahren – offenbarte sich in Bruno Hartls "Konzert für Percussion und Orchester". "Es wird groovig", versprach Grubinger. Und das wurde es dann auch. Als imposante Klangkulisse schuf das Orchester Raum für Grubingers intensiv-fokussiertes Spiel. Mit seiner Alternation zwischen konzentrierter Anspannung und Lösung zog Grubinger nicht nur das Publikum in den Bann, sondern vermochte auch das Orchester aus seiner anfänglichen Reserve zu locken.
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Link:
➜ https://www.pittsburghsymphony.org
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