London – Mit seinem Debüt in London markiert der deutsche Opern-und Schauspielregisseur Jan Philipp Gloger einen Wendepunkt. Seine Neuinszenierung von "Così fan tutte" ist für ihn die letzte Oper im Da-Ponte-Zyklus. Sechs Jahre nach dem Start mit "Le nozze di Figaro" in Augsburg sowie Riesenerfolgen mit Wagner in Bayreuth und Auftritten in Deutschland, Zürich und Amsterdam, könnte London auch ein Sprungbrett für eine internationale Karriere sein.
Frage: Welche Botschaft enthält die Inszenierung von "Così fan tutte"?
Antwort: Ich glaube, es gibt eine zeitlose Botschaft in dieser Oper, denn sie zeigt uns, wie erschütterbar unsere Begriffe und Definitionen von Liebe sind. In dieser Oper sehen wir vier junge Leute, die meinen, sich ganz sicher zu sein, was Liebe für sie bedeutet, und die auf sehr zentrale Weise in diesen Begriffen erschüttert werden. Es ist eine Oper, die zeigt, wie Gefühle inszenierbar und konstruierbar sind, und es ist eine Oper, die deswegen als Oper selbst pures Theater ist. Und wenn sogar so intime Gefühle wie Liebe inszenierbar, konstruierbar, manipulierbar sind, dann kann das erschütternd, aber auch erleuchtend sein. Wir sehen uns einfach immer selbst bei Mozart, in unbeschreiblich genauer Weise.
Frage: Das Theater kommt auf die Opernbühne – ein paar Worte zur Inszenierung?
Antwort: Es handelt sich ja um eine inszenierte Treueprobe, um ein Verkleidungsspiel. Also, wenn man fragen will, was mit Liebe passiert, wenn sie erspielbar und konstruierbar ist, dann fanden wir es interessant, wenn man in einem Theater selbst ansetzt. Und Don Alfonso, der Strippenzieher in diesem Stück, der von sich selbst sagt, bin ich nicht ein toller Theatermacher, dieser Don Alfonso ist bei uns ein Regisseur.
Frage: Wagner, Verdi, Strauss, Rossini zählen zu Ihrem Repertoire. Was bedeutet Ihnen Mozart?
Antwort: Mozart ist für mich der große Selbsterklärer. Mozart begleitet einen in allen Lebenslagen und zeigt den Menschen liebevoll und mit einem Humor, der uns dazu zwingt, einerseits über uns zu erstarren und andererseits über uns zu lachen. Das Spannende an dieser Oper ist, dass diese Musik so ehrlich ist, dass so unglaublich genau die Gefühlsverästelungen gezeigt werden, während der Text ironisch-spielerisch hintergründig gebrochen ist. Und genau diese Spannung, die in dieser Oper liegt, spiegelt uns in unserer menschlichen Zerrissenheit wider.
Frage: Welche Lehren können wir daraus ziehen?
Antwort: Wir sind als Menschen zerrissen zwischen zwei Polen, das eine ist die Sehnsucht nach Partnerschaft und nach Kontinuität und das andere ist die Fantasie, alle unsere Möglichkeiten und Seiten auszuleben. Und dass diese Zerrissenheit zum Menschen gehört und dass wir damit produktiv umgehen müssen, das kann man mit einem sehr positiven Blick auf "Così fan tutte" erzählen.
Frage: Was bedeutet Ihnen das Debüt im Royal Opera House?
Antwort: Das ist eine ganz große Ehre, mit einer internationalen, hervorragenden Besetzung hier zu arbeiten. Ich habe mit Mozarts "Le nozze di Figaro" 2010 meine Opernkarriere in Augsburg begonnen. Ohne "Nozze" wäre ich nicht hier und auch nicht in Bayreuth gelandet. Ich war vorher Theaterregisseur und auch Bühnenmusiker und habe das dann zusammengebracht in der Oper. "Nozze" war die erste Da-Ponte-Oper, und jetzt bin ich sechs Jahre später bei der letzten Da-Ponte-Oper angekommen. Ich freue mich, mit diesen ungeheuer erhellenden Werken an einem so besonderen Ort wie dem Royal Opera House Covent Garden in Berührung zu kommen. Ich freue mich, durch die Oper auch aus Deutschland herauszukommen, nach Zürich und Amsterdam. Es gibt weitere Anfragen aus dem Ausland, darauf freue ich mich.
(Die Fragen stellte Anna Tomforde, dpa)
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