Mittwoch, 21. Dezember 2011 / 23:30 – 01:00 Uhr
Das Erste
Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, drittgrößte Stadt Afrikas. Hier wohnen fast zehn Millionen Menschen, die zu den ärmsten Bewohnern unseres Planeten zählen. Es ist die Heimat des einzigen Symphonieorchesters Zentralafrikas. – Nach der Veröffentlichung des Dokumentarfilms "Kinshasa Symphony" reisten sieben Musiker des WDR nach Kinshasa, um mit einem kongolesischen Laienorchester ein Konzert vorzubereiten. Darüber berichtet die Sendung "Klassik im Kongo".
"Kinshasa Symphony" (Mittwoch, 21.12.2011, 23:30 – 01:00 Uhr / Das Erste)
In völliger Dunkelheit spielen 200 Orchestermusiker Beethovens Neunte – "Freude schöner Götterfunken". Ein Stromausfall wenige Takte vor dem letzten Satz. Probleme wie dieses sind noch die kleinste Sorge des einzigen Symphonieorchesters im Kongo. In den 15 Jahren seiner Existenz haben die Musiker zwei Putsche, mehrere Krisen und einen Krieg überlebt. Doch da ist die Konzentration auf die Musik, die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. "Kinshasa Symphony" zeigt Menschen in einer der chaotischsten Städte der Welt, die eines der komplexesten Systeme menschlichen Zusammenlebens aufbauen: ein Symphonieorchester. Ein Film von Claus Wischmann und Martin Baer über den Kongo, über die Menschen in Kinshasa und über die Musik.
Einer der Musiker ist Albert Matubanza. Er hat vielen Streichern im Orchester die Noten und ihr Instrument erklärt. Dabei ist er selbst Gitarrist und kann weder Geige noch Cello spielen. Gerade baut er an einem neuen Kontrabass für das Ensemble. Andere Handwerker unter den Orchestermitgliedern haben inzwischen eine ganze Kollektion von oft selbst erfundenen und gebauten Werkzeugen, um jede erdenkliche Reparatur eines Instruments durchzuführen. Nebenbei schneidern die Musikerinnen und Musiker ihre Anzüge und Kleider für die Auftritte selbst, organisieren die Beschaffung von Noten und sorgen während der langen Probenabende für die Beaufsichtigung der Kinder.
Die meisten Orchestermitglieder sind Autodidakten und Amateure. Selbst für diejenigen, die das Glück haben, über eine Berufsausbildung und halbwegs geregelte Arbeit zu verfügen, ist der Alltag in der Acht-Millionen-Metropole Kinshasa ein Kampf ums Überleben. Für viele beginnt der Arbeitstag um sechs Uhr morgens, oft noch weit früher für diejenigen, die sich die Fahrt im Sammeltaxi nicht leisten können und ihren kilometerlangen Arbeitsweg zu Fuß zurücklegen. Trotzdem wird abends bis in die Nacht hinein geprobt – und das praktisch jeden Tag.
Armand Diangienda ist Dirigent, ausgebildeter Pilot und Gründer des Orchesters. Er ist der Enkel von Simon Kimbangu, eines im Kongo hochverehrten Märtyrers, der gegen die belgischen Kolonialisten kämpfte und eine eigene Kirche begründete. Schon sein Großvater gab ihm mit auf den Weg, dass er ein Orchester gründen solle. In den Anfangsjahren teilten sich einige Dutzend Musikbegeisterte die wenigen Instrumente. Damit jeder an die Reihe kam, wurde in mehreren Schichten geprobt. Heute stehen bei Konzerten des "Orchestre Symphonique Kimbanguiste" 200 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne.
Zum Unabhängigkeitstag der Demokratischen Republik Kongo plant das Orchester ein großes Open Air Konzert. Mehrere tausend Zuschauer werden erwartet. Nur wenige haben Erfahrung mit klassischer Musik. Auf dem Programm: Beethovens Neunte, Carmina Burana, Werke von Dvorak und Verdi. Doch Armand Diangienda weiß: Noch klingen die heiklen Musikpassagen nicht sehr überzeugend. Und auch der Chor kämpft mit den Tönen und der deutschen Sprache. Aber der Tag des Konzerts rückt immer näher …
Klassik im Kongo (Freitag, 23.12.2011, 09:35 – 10:05 Uhr / WDR-Fernsehen)
Sieben Musiker des WDR machen sich auf die Reise nach Kinshasa, um mit einem kongolesischen Laienorchester ein Konzert vorzubereiten. Sie haben eine Woche Zeit und müssen nicht nur mit den musikalischen Herausforderungen kämpfen: Wolkenbruchartige Regengüsse begraben Kinshasa unter Wassermassen, viele Instrumente haben durch das feuchte tropische Klima gelitten, müssen erst einmal notdürftig repariert werden. Und die kongolesischen Musiker haben mit den täglichen Widrigkeiten in diesem von Krieg und Ausnahmezustand zerrütteten Land zu kämpfen.
Der Kölner Klarinettist Andy Miles begleitet die kongolesische Flötistin Nathalie tief in die Slums von Kinshasa und wird für seine Neugierde mit einem ergreifenden Solo belohnt. Die französische Cellistin Anne-Sophie Basset des WDR-Sinfonie-Orchesters besucht das kleine improvisierte Restaurant von Josephine, das für den Lebensunterhalt sorgt.
Anlass für den Besuch der WDR-Musiker war der preisgekrönte Dokumentarfilm "Kinshasa Symphony" (WDR/RBB) über das einzige Sinfonie-Orchester Zentralafrikas. Er hatte 2010 auf der Berlinale seine Premiere, wurde beim Beethovenfest in Bonn und beim Afrika-Filmfest in Köln gezeigt, bevor er in die Kinos kam und für den Deutschen Filmpreis nominiert wurde. Die Musiker aus Köln sahen die unglaublichen Lebensverhältnisse im Kongo, unter denen Beethoven und Brahms gespielt wird – von einem Orchester aus leidenschaftlichen Amateuren und Autodidakten. Sie sind gekommen, um ihr musikalisches Knowhow weiter zu geben. Und immer wieder werden sie überrascht von dem Elan und der Lust auf Symphonik bei den afrikanischen Musikern.
(pt/wa)