Frankfurt am Main (MH) – Die spätromantische Oper "Guercœur", 1931 in Paris uraufgeführt und vor fünf Jahren von der Zeitschrift "Opernwelt" als "Wiederentdeckung des Jahres" ausgezeichnet, feierte am Sonntagabend Premiere am Frankfurter Opernhaus. Regisseur David Hermann reagierte mit einer klug aktualisierenden Inszenierung auf den erstaunlich modernen Inhalt der von Komponist Albéric Magnard (1865-1914) selbst erdachten Geschichte.
Obwohl der erste und dritte Akt im Jenseits spielen, verhandelt Magnard zeitlose Fragen: Sind Freiheit und Demokratie das höchste Gut des Menschen und wahre Liebe unsterblich? Der Freiheitskämpfer Guercour, der längst gestorben ist, muss diese Fragen verneinen, nachdem auf die Erde zurückkehren durfte: Seine einstige Geliebte Giselle liebt jetzt den angehenden Tyrannen Heurtal, er selbst wird im dramatischen Kampf um die noch junge Demokratie erschlagen. Zurück im Jenseits begräbt er seine Utopie von Frieden, Liebe und Weiterentwicklung der Menschheit, während vor allem die Göttin Verité weiterhin die Vision einer hoffnungsvollen Zukunft propagiert.
Jo Schramm baut für Guercour ein Domizil, das an den Kanzlerbungalow der jungen Bundesrepublik erinnert und lässt die blutigen Massenszenen in einem UN-ähnlichen Gebäude spielen. Großen Effekt macht das totale Zusammenbrechen des Weltgebäudes, nachdem die Diktatur gesiegt hat und Guercour als Vertreter der Vernunft erschlagen am Boden liegt.
Die vollständig in ihren Rollen debütierenden Sänger, beinahe ausschließlich aus dem Ensemble besetzt, ernten großen Jubel: Allen voran der ausdrucksstarke Domen Križaj in der Titelpartie und die überragende Claudia Mahnke als Giselle. Auch sein Nebenbuhler und politischer Gegenspieler Heurtal ist mit AJ Glueckert grandios besetzt. Im Orchestergraben gibt Marie Jacquot bei ihrem Frankfurt-Debüt eine exzellente Visitenkarte ab. Wie klangschön sie die wagnerartigen Zwischenspiele herausarbeitet und die Parsifalähnlichen Fernchöre anleitet, besonders aber, wie exakt sie das politische Chaos der gespaltenen Massen dirigiert, hinterlässt nachhaltigen Eindruck.
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(bb/wa)
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