Berliner Staatsoper präsentiert Opernrarität von Janáček

16. März 2025 - 21:25 Uhr

Berlin (MH) – Tanzende Hippies auf dem Mond und revolutionäre Freiheitskämpfe: In Robert Carsens Inszenierung von Leoš Janáčeks Oper "Die Ausflüge des Herrn Brouček" geht es turbulent zu. Das selten gespielte Werk ist am Sonntag erstmals in der Berliner Staatsoper Unter den Linden auf die Bühne gekommen. Der kanadische Regisseur, der mit seiner eindrücklichen, schlüssigen Lesart überzeugte, feierte zugleich sein Hausdebüt. Viel Beifall gab es bei der Premiere auch für Sir Simon Rattle, der nach mehreren erfolgreichen Dirigaten ans Pult der Staatskapelle zurückgekehrt ist.

"Die Ausflüge des Herrn Brouček"

"Die Ausflüge des Herrn Brouček"

Die Handlung der satirischen Oper spielt in Prag, wo sie 1920 ihre Uraufführung am Nationaltheater erlebte. Carsen versetzt sie in die wilde Zeit der 68er-Revolte und der Blumenkinder. In der Rolle des trinkfreudigen und verfressenen Protagonisten Matěj Brouček bringt der britische Tenor Peter Hoare alle zum Lachen. Der Hausbesitzer, ein angeberischer Spießer, hat genug von seinen nervigen Mietern und will im Suff dem Alltag entfliehen.

Alsbald wird er im Traum auf den Mond geschossen, wo er sich inmitten skurriler Bohemiens wiederfindet. Janáček karikierte seinerzeit eine Künstlergruppe, die sich regelmäßig in der Taverne Vikarka am Prager Burgberg traf. Mit allerlei Bezügen zur Popkultur gelingt Carsen eine Persiflage auf das legendäre Woodstock-Festival, das hier als "Moonstock 68" zelebriert wird. Der Regisseur spielt auch auf die erste bemannte Mondlandung 1969 an. Historische Dokumentaraufnahmen des epochalen Ereignisses laufen schon zu Beginn der Vorstellung auf einem riesigen, altmodischen Fernsehbildschirm ab. Während der Aufführung taucht dieser Bildschirm immer wieder auf, um Orchesterzwischenspiele mit filmischen Kommentaren zu ergänzen.

Nach seiner Rückkehr aus dem Weltraum wird Brouček – zu deutsch: Käferlein – nach einem kurzen Aufenthalt auf der Erde weit zurück ins 15. Jahrhundert katapultiert. Auf seiner Zeitreise gerät er unter die als Ketzer verschrienen Hussiten, die gegen die katholische Papstkirche kämpfen. Der Regisseur schafft hier eine Verbindung zum Prager Frühling und der brutalen Niederschlagung des Aufstands durch Truppen des Warschauer Pakts. Die heitere, unbeschwerte Stimmung, die im ersten Teil der Oper spürbar war, kippt jäh ins Düstere und Bedrohliche. Aus der Satire wird bitterer Ernst, und schließlich erwacht Brouček zu seiner großen Erleichterung aus einem fürchterlichen Albtraum.

Das Libretto basiert auf zwei humoristischen Novellen des tschechischen Schriftsteller Svatopluk Čech, der in Janáčeks Oper zu Beginn des zweiten Aktes als Erscheinung auftaucht. Janáček experimentiert mit neuen musikalischen Ausdrucksformen, um die skurrilen Seiten seiner Charaktere zu zeigen. Staccato-Rhythmen kontrastieren etwa mit ironischen Walzerzitaten, und die Sänger bewegen sich zwischen deklamierendem Sprechgesang und mit Falsettstimmen vorgetragenen Passagen. Die meisten Mitwirkenden sind in mehreren Rollen zu erleben. So verkörpert die englische Sopranistin Lucie Crowe gleich drei Figuren – Málinka, Etherea und Kunka. Die schwierigen Tenorpartien von Mazal, Blankytný und Petřík meistert der Tscheche Aleš Briscein mit Bravour. Der ungarische Bariton Gyula Orendt leiht seine Stimme dem Sakristan, Lunobor, Domšík von der Glocke und Svatopluk Čech. Das kunterbunte Bühnenbild stammt von Radu Boruzescu, während Annemarie Woods die Kostüme entworfen hat.

"Die Ausflüge des Herrn Brouček" entstand als Koproduktion mit dem Nationaltheater Brünn und dem Teatro Real in Madrid. Rattle, seit der Saison 2023/24 Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, gastiert seit seinem Abschied von den Berliner Philharmonikern regelmäßig an der Berliner Staatsoper. Unter anderem wirkte er an Aufführungen von Janáčeks Opern "Aus einem Totenhaus", "Katja Kabanowa" und " Jenůfa" mit.

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(ck/wa)

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