Wenn jemand amerikanischen Pioniergeist auf dem Gebiet der Musik verkörpert hat, dann war es Charles Ives (1874-1954). Bi- und Polytonalität, Polymetrik und -rhythmik, Toncluster, Aleatorik und Raumklang: Es gibt kaum eine musikalische Erscheinung der Moderne, für die Charles Ives nicht zum Ahnherrn erklärt worden ist. Er wolle keine "Betäubungsmittel" für "Schlappohren" komponieren, bekannte er. Dabei war der erfolgreiche Versicherungsfachmann eigentlich "nur" ein Freizeitkomponist, der vor allem an Abenden und langen Wochenenden schrieb. Vielleicht blieben auch deshalb all diese musikalischen Erscheinungen bei ihm fast immer zufällig, wucherten ohne Regeln vor sich hin. Manche Kritiker hielten ihm daher Stillosigkeit und Inkonsequenz vor.
Der bekannte Musikvermittler Markus Fein führt in der Reihe "2 x hören" durch kurzweilig-informative Abende – und unterhält sich mit den ausführenden Musikern über bekannte, unbekannte, unverfrorene und unvermutete Facetten ein und desselben Werkes. Anschließend wird das Stück ein zweites Mal gespielt. Aha-Effekte für Ohren und Geist. Diesmal steht Charles Ives' Klaviertrio auf dem Programm. 1904 in Angriff genommen und 1911 abgeschlossen, zeugt es nicht nur von typisch amerikanischer College-Folklore, sondern auch von atemberaubender Originalität. Grund genug für das Trio Boulanger, den Dreisätzer zusammen mit Markus Fein zu präsentieren.
Die drei jungen Damen musizieren übrigens bereits seit 2006 zusammen: "Es war unser Traum, die Kammermusik zum Hauptberuf zu machen", sagt Cellistin Ilona Kindt. "Schon nach kurzer Zeit des Zusammenspiels waren wir bereit, das Risiko einzugehen und alles, was wir nebenher machten, dem Trio zuliebe aufzugeben." Dieses Risiko hatte Ives, bei aller Liebe zur Musik, dann allerdings doch nicht eingehen wollen.
Die Veranstaltung findet am 23. Mai 2011 um 20:00 Uhr im Werner-Otto-Saal des Konzerthauses Berlin statt. Karten zum Preis von 12 Euro sind im Internet und per Telefon (030 / 20309 2101) erhältlich.
(wa)