Sonntag, 03. Juli 2011 / 10:45 – 11:30 Uhr
3sat
"Ist’s die Sprache, lüg mir nicht / Die man in Elysen spricht?" So fragt der junge Schiller sich selber über sein Verhältnis zu Musik: Verdacht einerseits, dass sie das Höchste sei, also dem "Dort", der anderen, besseren Welt, der sein ganzes Denken gilt, am nächsten; andererseits tiefe Zweifel: dass die Musik eben doch nur das "Schmelzende" sei und damit aufs Sinnliche begrenzt. Ein lebenslanger Konflikt für den Dichter, der Musik wie wenige konsequent funktional und als Transportmittel einsetzt in seinem Werk. Aber gerade Schiller, in diesem Konflikt existierend, ist es, der die Geschichte der Musik unvergleichlich befruchtet und ihr durch die Jahrhunderte Material und Inspiration gibt.
Die Spurensuche beginnt an Schillers wichtigstem Tatort: Weimar. Dort macht sich die Regisseurin des Films, Marieke Schroeder, gemeinsam mit dem Dirigenten, Autor und Weimaraner Peter Gülke auf, um Schillers Vision von Musik aufzuspüren. Sie besuchen sein Haus und hören die Musik auf seine Gedichte. Im Theater geben sie in Gesprächen und musikalischen Realisationen einen Eindruck von der Gewalt, die Schillers Sprache und Szene auf die Musik aller Zeiten ausgeübt haben. In Goethes Gartenhaus untersuchen sie mit Experten die Magie, die Schillers "Ode an die Freude" in Beethovens "Neunter" zum Schlager werden ließ.
Prominente Gäste kommen in Weimar zusammen und werden befragt in diesem Film: Dieter Hildebrandt, der Autor des Buches über "Die Neunte", Joachim Herz, Nestor der Musiktheater-Regisseure; die Bewahrer des Schiller-Nachlasses zu Weimar Hellmut Seemann und Bernhard Fischer sowie der Würzburger Musikologe Friedhelm Brusniak. Sie alle kommen ins Gespräch über die Facetten der musikalischen Rezeption von Schillers Lyrik, seiner Dramatik auf der Opernbühne, seiner ästhetischen Theorie.
Der Film lässt aber auch Schillers Atmosphäre besonders in den letzten Lebensjahren aufscheinen, spürt seine Umwelt auf, versucht die hochgespannte Persönlichkeit vom Tod des Dichters her zu sehen, um sein Leben zu begreifen und: so etwas wie einen "Klang" dieses Lebens zu erhorchen, das uns qua Werk und Idee bis heute nicht loslässt. Dazu wird fast ausnahmslos Musik 'live' geboten, werden Szenen gesprochen, Opernszenen realisiert und analysiert – um endlich einen Begriff zu bekommen von der Kraft seiner Wirkung durch die Zeiten, symbolisiert im Kuriosum der "Ode an die Freude", der Schiller selbst kaum etwas abgewann und deren schnellen Ruhm er nicht begriff. Und das alles vor Beethoven.
Nicht zuletzt hört der Film Schillers Sprachmusik nach, der der Dichter wohl am innigsten vertraute in seinem Drang, das Erhabene zu fassen, ein Stück Himmel auf die Erde zu bringen – mit oder ohne Musik und, wenn ja, mit welcher?
(wa)