Unbekannte Handschrift von Johann Sebastian Bach entdeckt

07. Juni 2013 - 08:33 Uhr

Leipzig/Weißenfels/Berlin (mh) – Eine bisher unbekannte Handschrift von Johann Sebastian Bach (1685-1750) hat der Leipziger Bach-Forscher Peter Wollny entdeckt. Das teilten das Bach-Archiv Leipzig und das Heinrich-Schütz-Haus Weißenfels am Donnerstag mit. Die um 1740 entstandene Abschrift einer Messe von Francesco Gasparini gebe Einblicke in Bachs stilistische Neuorientierung in seinem letzten Lebensjahrzehnt.

Handschrift J.S. Bachs

Die Handschrift wird ab (dem heutigen) Freitag bis zum 14. Juli 2013 im Schütz-Haus Weißenfels ausgestellt. Sie umfasst insgesamt 13 Stimmhefte (vier Singstimmen, vier Stimmen für Streicher und Oboen, vier Stimmen für Zink und Posaunen sowie eine Orgelstimme). Der Stimmensatz belege, dass Bach die reine Vokalbesetzung des Originals gemäß der in Leipzig üblichen Praxis um Streich- und Blasinstrumente erweiterte und sich bei seiner Aufführung auf die Teile Kyrie und Gloria beschränkte.

Für seine Abschrift verwendete Bach das gleiche Papier wie für den zweiten Teil des Wohltemperierten Klaviers. Dieser Befund sowie spezifische schriftkundliche Merkmale erlaubten eine Datierung auf die Zeit um 1740. Spätere Zusätze beweisen, dass Bach das Werk ausgiebig studiert und wiederholt in den beiden Leipziger Hauptkirchen St. Thomas und St. Nikolai aufgeführt hat. Die verschiedenen, offenbar abwechselnd eingesetzten Instrumentalgruppen bezeugen sein Bemühen um eine wirkungsvolle klangliche Realisierung des komplexen kontrapunktischen Gewebes.

Die Bedeutung des Quellenfundes sei kaum zu überschätzen, hieß es. Zu Beginn seines letzten Lebensjahrzehnts entwickelte Bach einen neuen Kompositionsstil, der sich durch die verstärkte Verwendung der polyphonen Satztechnik, eine Vorliebe für die intrikate Setzkunst des Kanons und einen ausgesprochenen Pluralismus der Stile auszeichnet. In dieser Phase der Neuorientierung setzte er sich intensiv mit Werken anderer Meister auseinander, in denen die genannten Tendenzen besonders deutlich zutage traten. Die Missa canonica von Francesco Gasparini erscheine somit als ein aufschlussreiches Vorbild für die Kanonkunst und strenge Polyphonie in Bachs Spätwerk, wie sie uns etwa im Musikalischen Opfer, in der Kunst der Fuge und in der h-Moll-Messe begegnet.

Francesco Gasparini (1661-1727) wirkte als Komponist und Pädagoge in Rom, Bologna und Venedig und schuf zahlreiche von seinen Zeitgenossen hoch geschätzte Opern, Kammerkantaten und Kirchenstücke. Als eines seiner berühmtesten Werke gilt die 1705 in Venedig entstandene "Missa canonica" für vierstimmigen Chor und Basso continuo. Sämtliche Sätze der Messe enthalten kunstvolle Kanons und bezeugen die überragende satztechnische Meisterschaft des Komponisten. Von diesem Werk ist nun in Weißenfels eine Abschrift von der Hand Johann Sebastian Bachs aufgetaucht.

(wa)

Links:

http://www.bach-leipzig.de/
http://www.schuetzhaus-weissenfels.de/

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