Echo Klassik an "El Sistema"-Gründer José Antonio Abreu verliehen

04. Oktober 2011 - 08:13 Uhr

Mit einem Sonderpreis für sein soziales Engegament wurde José Antonio Abreu bei der "Echo Klassik"-Verleihung am Sonntag ausgezeichnet. Seit 1975 bietet der Musiker und Volkswirtschaftler Kindern und Jugendlichen in Venezuela durch kostenlose musikalische Bildung eine Alternative zum Leben auf der Straße. Was mit dem “Orquesta Sinfónica Nacional Juvenil” begann, hat sich zu einem landesweiten Netzwerk von Musikschulen und 200 Orchestern entwickelt – bekannt als "El Sistema". Heute erhalten dort mehr als 300.000 junge Menschen eine musikalische Ausbildung.

Echo Klassik

Bis heute wurden durch "El Sistema" fast zwei Millionen Kinder und Jugendliche, zumeist aus den Elendsvierteln Venezuelas, betreut und durch die Musik sozialisiert. Für sein Modell, nach dessen Vorbild die Unesco 1995 den Aufbau eines weltweiten Systems von Kinder- und Jugendorchestern beschloss, erhielt Abreu 2001 den alternativen Nobelpreis. Den Echo-Klassik nahm Abreu "im Namen all jener exzellenter Künstler und Lehrer" in Empfang, mit denen er seit über drei Jahrzehnten an dem Projekt arbeitet. Der Geiger Daniel Hope äußerte in seiner Laudatio den Wunsch, dass in Europa Musikerziehung ebenso selbstverständlich werde wie Schreiben und Lesen.

Nachfolgend dokumentiert musik heute die Laudatio des Geigers Daniel Hope und die Dankesrede von José Antonio Abreu im Wortlaut.

Laudatio von Daniel Hope:

Daniel Hope

"Es gibt nicht viele Menschen, von denen man sagen kann, sie haben die Welt verändert. Unser nächster Preisträger ist einer dieser wenigen.

1975 – 36-jährig – war José Antonio Abreu in Venezuela bereits ein erfolgreicher Pianist und Dirigent. Damals lebten in Venezuela 75 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Vor allem Kinder auf der Straße, in den Slums und in Waisenhäusern.

Elf von diesen Kindern lud Abreu in jenem Jahr zu einer Probe seines Orchesters ein, um ihnen eine Chance zu geben – die vielleicht erste ihres Lebens. Zur zweiten Probe kamen 25 Kinder, zur dritten 46. Heute besuchen über eine Viertelmillion venezuelanische Kinder eine Musikschule. Ab einem Alter von zwei Jahren können Kinder aus benachteiligten Familien in einer gewaltfreien Umgebung kostenlos ein Instrument lernen. Sie erhalten Zuwendung und Bestätigung und können später ihr Wissen an die kleineren Kinder weitergeben.

'El Sistema' heißt die Idee Abreus, die von allen Regierungen seines Landes seit 1975 unterstützt wird. Sie fördert Motivation, Teamgeist und das Streben nach Erfolg, statt Armut, Einsamkeit, Traurigkeit oder Anonymität. So werden durch 'El Sistema' aus chancenlosen Kindern selbstbewusste Jugendliche und erfolgreiche sozial fühlende Erwachsene, wie der weltberühmte Dirigent Gustavo Dudamel, der Geiger Alexis Cárdenas und der Kontrabassist Edicson Ruiz, der 2003 das jüngste je aufgenommene Mitglied der Berliner Philharmoniker wurde.

Musiker wie José Antonio Abreu oder auch Yeuhudi Menuhin mit seinem "Live Music Now" haben ihre soziale Verpflichtung erkannt und sind ein großes Vorbild. Bei meinen Konzerten mit dem Titel 'Tu was!' habe ich die Unterstützung vieler namhafter Kolleginnen und Kollegen, die ebenfalls erkennen, dass man mit Musik enorm viel bewegen kann. Wir sollten alle von 'El Sistema' lernen und dafür sorgen, dass in Europa Musikerziehung ebenso selbstverständlich ist wie Schreiben und Lesen.

Das Wunder von Caracas geschah, weil ein Mann,- ein mutiger Mann, eine Vision hatte. Und nicht eher ruhte, bis er sie verwirklicht hatte. Möge seine Vision die ganze Welt erfassen. Der heutige Echo-Preis ist nicht nur eine Auszeichnung, sondern vor allem ein Dank an Jose Antonio Abreu."

Dankesrede von José Antonio Abreu:

José Antonio Abreu

"Mein Herz ist voller Freude heute an diesem Tag, an dem ich diesen Preis nicht für persönliche Verdienste, sondern im Namen all jener exzellenter Künstler und Lehrer aus Venezuela in Empfang nehmen darf, die mich in den letzten drei Jahrzehnten begleitet haben, um in bewundernswerter Arbeit das 'System' der Kinder- und Jugendorchester in Venezuela zu gründen.

Venezuela kämpft, wie viele andere Regionen der Welt, jeden Tag weiter, um die Armut zu besiegen. Deswegen verkünden wir heute feierlich unsere tiefe Überzeugung, dass die materielle Armut ausgerottet wird zugunsten des geistigen Reichtums der Musik. Denn dort kommen soziale und kulturelle Gerechtigkeit zusammen. Im Vermächtnis von Beethoven verkündet dieses Projekt für die Zukunft den Triumpf der Musik."

(wa)

http://www.echoklassik.de/

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