Nürnberg – In der 2013/14 gestarteten Nürnberger Neuproduktion von Richard Wagners Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" kommt am (heutigen) Sonntag der vierte und letzte Teil auf die Bühne. Bei der "Götterdämmerung" will Regisseur Georg Schmiedleitner erneut aktuelle Zeitbezüge einbringen. Die musikalische Leitung hat wieder Generalmusikdirektor Marcus Bosch.
"Im Grunde genommen bleiben wir dabei, das Ganze an der heutigen Zeit zu spiegeln", sagte Schmiedleitner der Deutschen Presse-Agentur. "Das muss mit uns zu tun haben. Das muss das Aktuellste sein, was wir im ganzen Ring-Zyklus erzählen. Da streifen wir die Jetzt-Zeit", sagte Schmiedleitner.
Der Wiener Theatermann hat die Halle der intriganten Gibichungen mit Hagen an der Spitze in eine neuzeitliche Konzernzentrale verlegt – die Welt von Google, Facebook und Apple. Nach dem Niedergang des Götterkosmos stehen nach Schmiedleitners Interpretation die Gibichungen in der Wagner-Oper für "die neuen Machthaber unserer Zeit". Das seien nicht nur neue Konzerne, "das sind neue Lebensgemeinschaften, die etwas religiös-sektenhaftes beinhalten".
Diese Glitzerwelt, "in der nur nette, biologisch abbaubare Menschen leben", pralle in seiner "Götterdämmerung"-Inszenierung auf die Welt der Obdachlosen und Asylbewerber. "Da gibt es in meiner Aufführung starke Bilder, in der Menschen von dieser Welt zerquetscht werden. Das ist das Problem von heute", ist der "Ring"-Regisseur überzeugt.
Bei seiner Auseinandersetzung mit dem aktuellen Flüchtlingsstrom sei er stark von persönlichen Erfahrungen des vergangenen Sommers in Wien geprägt worden. Dort habe er unweit seiner Wohnung den täglich anwachsenden Flüchtlingsstrom erlebt, aber auch viele Wiener, die den Menschen spontan geholfen hätten. "Das war ein Aufstand der Humanität." Das habe gezeigt, dass bei der Schaffung einer besseren Welt Einsatz und Kreativität jedes einzelnen gefragt seien.
Was sein persönliches Verhältnis zu Wagners Werk angeht, so sei die Begeisterung dafür mit jeder "Ring"-Inszenierung gewachsen. "Wagner hat mich nicht abgeworfen. Ich finde mich nicht gescheitert, auch wenn vielleicht nicht alle meine Überlegungen aufgegangen sind", bilanziert Schmiedleitner seine dreijährige Arbeit am "Ring". Ihn reize es, Wagner an der Realität zu reiben. Dabei entstehe Reibungsenergie.
Für problematisch hält Schmiedleitner allerdings, den "Ring" als Dreijahresprojekt aufzuführen. "Das würde ich so heute nicht mehr machen. Da würde ich darauf dringen, dass wir das in kürzeren Abständen machen, damit der Wagner-Furor, der Rausch deutlicher wird". Eine kompakte Aufführung des Nürnberger "Rings" ist erst im Frühsommer 2017 geplant – zunächst Ende Mai bis Anfang Juni. Ein zweiter Zyklus steht Mitte Juni 2017 auf dem Spielplan.
(dpa/MH)
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